Nicht einfach "Kirchenmaus" oder "Konsumentin". Interview mit Christine Haiden, Chefredakteurin von "Welt der Frauen"
1986 ist sie als Verlagsassistentin und Teilzeit-Redakteurin bei „Welt der Frau“ eingestiegen: Christine Haiden, eine der herausragenden österreichischen Journalist*nnen, die zum „Gesicht“ der Zeitschrift geworden ist. Anlässlich des 75-jährigen Bestehens von „Welt der Frauen“ schaut sie zurück auf den Weg eines Frauenmagazins, mit dem die Katholische Frauenbewegung Österreichs seit 1946 Pressegeschichte mitgeschrieben hat. Seit 2020 ist „Welt der Frauen“ mehrheitlich im Eigentum der Donor GmbH. kfbö-Pressereferentin Elisabeth Ohnemus hat Christine Haiden anlässlich des Jubiläums interviewt.
EO Heuer sind es 35 Jahre, dass Du für „Welt der Frauen“ arbeitest, seit 1993 als Chefredakteurin. Gemeinsam mit Friederike Lenzeder, die fast genauso lang wie Du - von 1958 bis 1985 - Chefredakteurin war, bist Du sozusagen das „Gesicht“ der Zeitschrift, eine von zwei Personen, die maßgeblich geprägt haben, was aus dem 1946 gegründeten Magazin zur "religiösen Frauenbildung", "Licht des Lebens" (ab 1964 "Welt der Frau", seit 2018 "Welt der Frauen"), geworden ist…
CH … ja, gemeinsam haben Friederike Lenzeder und ich als Chefredakteurinnen 55 von 75 Jahren Zeitschrift gestaltet. Ich bin ja 1986 in zwei Funktionen zum Blatt gekommen, als Verlagsassistentin und als Redakteurin in Teilzeit, hab mich also in zwei Berufen ausgebildet. 1993 bin ich dann Bärbl Gläser als Chefredakteurin gefolgt.
EO Was hat Dich als promovierte Juristin an diesem katholischen Frauenmagazin gereizt? Und welche Beziehung hattest Du zur Eigentümerin, der Katholischen Frauenbewegung?
CH Nach meinem Gerichtsjahr war der Journalismus eine Option für mich. Und „Welt der Frau“, wie das Blatt damals geheißen hat, war einfach das interessanteste Medium. Ich bin ja über den Verlag eingestiegen, war Assistentin in der Abonnent*nnenwerbung. Darüber hab ich die kfb gut kennengelernt. Ich bin durch die Diözesen gereist, hab mich mit den Organisationsreferentinnen der kfb zusammengesetzt und gemeinsam mit ihnen an Strategien gearbeitet, wie wir das Heft unter die Leute bringen können. Es gab Diözesen, z.B. das Burgenland, da ist es gelungen, um die 1000 Abos dazuzugewinnen. In den sechs Jahren, in denen ich das gemacht habe, haben wir einen Abo-Höchststand erreicht, rund 78.000 Abos. Das war eine große Leistung.
EO Mit welchem Frauenbild warst Du konfrontiert, als Du in die Redaktion eingestiegen bist?
CH Ganz am Anfang herrschte da schon ein recht traditionelles Frauenbild, ein Leitmedium in der Frauenszene war das Heft nicht. Ich würde sagen, es war „sauber verstaubt“, was ich da angetroffen hab. Aber das kirchliche Milieu war mir ja nicht fremd, ich komme selbst von dort, und innerhalb dieses Milieus waren wir doch eher fortschrittlich. Ich habe versucht, Strömungen der Zeit ins Heft zu tragen, z.B. frauenpolitische Debatten, auch Debatten um die Rolle der Frauen in der Kirche.
EO Wie haben „Welt der Frau“ und kfb da zusammengewirkt?
CH Mein Engagement war getragen von kfb-Funktionärinnen, die an einem gesellschaftspolitischen Diskurs interessiert waren und ihn betrieben haben. Z.B. Margit Appel als Generalsekretärin oder Ingrid Klein und Margit Hauft als Vorstandsvorsitzende. Die haben gesellschaftspolitisch Position bezogen.
EO Ihr seid also gemeinsam unterwegs gewesen, Hand in Hand?
CH Ins Redaktionsstatut von „Welt der Frau“ sind die Leitlinien der kfb, die in den 90er-Jahren unter Ingrid Klein erarbeitet wurden, eingeflossen. Sie haben die gesellschafts- und kirchenpolitischen Dimensionen der kfb festgelegt. Ziel der Zeitschrift war es vor allem, mit publizistischen Mitteln an ein Publikum zu gelangen, das man nicht unbedingt über die kfb erreicht. „Welt der Frau“ war kein „Mitgliedermagazin“, sondern ein Kaufmedium. Unser Platz war an der Schnittstelle zwischen Kirche „innen“ und „außen“.
EO Und das war das, was Dich interessiert hat…
CH Das war genau die richtige Herausforderung. Ich bin geprägt von der Katholischen Aktion und hatte das, was sie ausmacht, so verstanden, dass es immer um das Leben der eigenen Spiritualität und gleichzeitig ein Engagement dort geht, wo man beheimatet ist. Und das war bei mir die Publizistik. Es ist mir um Dialogfähigkeit gegangen, das war das Wesentliche. Es ging darum, sich einzulassen, in erster Linie auf die Kirche „außen“ hinzuschreiben.
EO Was war dabei, beim Tun an der Schnittstelle, die größte Herausforderung?
CH Typisch für die katholische Identität ist ihr komplexer Zugang zu allem, was mit Sexualität zu tun hat. Die Frage der gleichgeschlechtlichen Liebe war ein großes Thema, die Kirche hatte da eine klare ablehnende Haltung. Uns stellte sich die Frage, wie wir das angehen. Ich wusste von vielen Leser*innen, dass sie da Probleme hatten. Wir haben das so gelöst: wir haben Geschichten erzählt, Lebensgeschichten. So wurden die Leser*innen zum Thema hingeführt und konnten sich selbst damit auseinandersetzen. Meine Linie war es, mich nicht mit der kirchlichen Lehre anzulegen, ich habe Geschichten angeboten. Die Leser*innen haben sich ein eigenes Bild gemacht und ihre eigenen Entscheidungen getroffen. Deutlich schwieriger war es, wo es um Fragen der Ehe ging. Wir haben z.B. danach gefragt, was die sexuelle Befreiung gebracht hat und verschiedene Frauen portraitiert, darunter eine Frau, die nicht in einer Ehe lebte, aber mehrere Liebhaber, auch verheiratete, hatte. Das hat dann doch für unsere Herausgeberinnen den Bogen etwas überspannt.
EO Wie würdest Du das Verhältnis zu den Herausgeberinnen über die Jahre charakterisieren?
CH Ich habe als Chefredakteurin von Anfang an unumschränktes Vertrauen genossen. Nie gab es Versuche, mich in eine Richtung zu drängen, es war uns als Redaktion gänzlich überlassen, inhaltliche Entscheidungen zu treffen. Es gab schon immer wieder Debatten in der kfb, ob nicht Funktionärinnen oder Themen der kfb, insbesondere die Aktion Familienfasttag, stärker ins Blatt gerückt werden sollten. Aber diese Debatten wurden nicht als Aufforderung an mich herangetragen.
EO Es war und blieb klar, dass die „Welt der Frau“ kein Mitgliedermagazin ist…
CH Im Lauf der Zeit haben einige Diözesen begonnen, Mitgliedermagazine zu machen, das war dann schon in gewisser Weise auch eine Herausforderung für uns.
EO Inwieweit haben sich die Abonnent*nnen der „Welt der Frau“ mit den kfb-Mitgliedern gedeckt?
CH In den 2000er-Jahren haben wir einmal erhoben, wieviele der kfb-Mitglieder ein Abo haben – es war weniger als ein Fünftel. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass es gelungen ist, viele Abonnent*innen zu gewinnen, die sich außerhalb kirchlicher Organisationen bewegen. Häufig war „Welt der Frau“-Abo das letzte Bindeglied zur Kirche als Organisation, oder auch ein Bindeglied für nicht-katholische Leser*innen. Das Medium hat Zugangsmöglichkeiten geschaffen, und das war mir wichtig. Die ökumenische Funktion ernst zu nehmen war mir ein besonderes Anliegen.
EO Von Anfang an, schon bei der Gründung von „Licht des Lebens“ war ein Thema, wie man mit der Divergenz der anzusprechenden Frauen umgehen sollte, wie der Spagat zwischen Frauen aus der Stadt und vom Land, mit unterschiedlichem Bildungshintergrund und unterschiedlichen Alters zu schaffen sei. Wie bist Du mit dieser Herausforderung umgegangen?
CH Ich habe immer versucht, „Welt der Frau(en)“ als Bildungsmedium zu sehen, d.h. Geschichten so zu gestalten, dass sie Relevanz haben, dass Leser*innen etwas dazulernen können. Das bedeutet, dass man als Redaktion immer ein, zwei Schritte voraus sein muss. So hab ich etwa versucht, nicht einfach Kochrezepte zu bringen, sondern moderne Küche zum Thema zu machen, habe in Fragen der Erziehung den liberalen Pädagogen Jan Uwe Rogge herangezogen usw. Die Idee war immer, den Horizont der Leser*innen möglichst zu erweitern. Das war mein Leitmotiv.
EO Was sind die größten Herausforderungen in der jüngeren Vergangenheit?
CH Nach den Kirchenkrisen der 80er- und 90er-Jahre – Stichwort „Krenn“ und „Groer“ – hat man gesehen, dass das kirchliche Milieu zu erodieren beginnt. Für uns hieß das: wir müssen mehr an Milieus andocken, in denen ein christlicher Wertekanon, aber nicht unbedingt Kirche eine Rolle spielt. Wir haben schon seit Längerem keine kirchenkonservative Klientel mehr. In neue Milieus vorzudringen ist aber schwierig. Wir sind in eine große Transformation eingetreten, und in den letzten 10, 15 Jahren hat sich dieser Prozess noch einmal beschleunigt.
EO Welchen Weg in die Zukunft siehst Du für ein Medium wie es „Welt der Frauen“ ist?
CH Ich glaube, dass man seiner Bestimmung treu bleiben sollte, aber Kanäle und Formate finden muss, um Frauen, die sich für ein klassisches Bildungsmedium interessieren, auch zu erreichen. Man sollte diesen Pfad nicht verlassen. Unser Ziel war es immer, unsere Leser*innen nicht zu reduzieren auf entweder „Kirchenmaus“ oder blosse „Konsument*in“.
Interview: Elisabeth Ohnemus (19.4.2021)