Meint es die Katholische Kirche mit der Gleichberechtigung ernst? Das Frauenmagazin WOMAN hat bei Angelika Ritter-Grepl nachgefragt

Erst Anfang Jänner änderte Papst Franziskus das Kirchenrecht. Ab sofort dürfen Frauen ganz offiziell Dienste am Altar versehen, sprich als Messdienerinnen, Lektorinnen oder Kommunionshelferinnen fungieren. Auch wenn diese Praxis in vielen Ländern mittlerweile seit Jahrzehnten Usus ist, war sie kirchenrechtlich bisher nicht verankert. Überhaupt möchte Papst Franziskus Frauen vermehrt in Entscheidungsfunktionen einsetzen, wie er verlautbaren ließ. So bestimmt neuerdings erstmals auch eine Theologin in der Bischofssynode, einem Beratungsgremium des Pontifex, mit.
Von Gleichberechtigung ist die Katholische Kirche in der Praxis allerdings weiter Lichtjahre entfernt. Noch immer gilt im Vatikanstaat vor allem eines: Die Frauen dienen, die Männer führen. Frauen ist es bis heute nicht erlaubt, Priesterin der Katholischen Kirche zu werden und sie bekleiden auch sonst nur selten höhere Ämter. Während Protestantische Kirchen ihnen im Laufe des 20. Jahrhunderts den Weg in die Ämter ebneten, hält Rom an der Männerweihe fest. Die Rechtfertigung? Ein Priester handele bei der Wandlung von Brot und Wein "in persona Christi" und könne dementsprechend nur ein Mann sein.
Was tatsächlich gegen Priesterinnen in der Katholischen Kirche spricht? Wenig, wenn es nach der an der Universität Salzburg lehrenden Bibelwissenschaftlerin Marlis Gielen geht: "Die ihr nämlich auf Christus getauft wurdet, habt Christus angezogen. Da ist nicht Jude noch Grieche, da ist nicht Sklave noch Freier, da ist nicht männlich und weiblich" , zitiert die Bibelexpertin aus Kapitel 3 des Galaterbriefs in einem Gastbeitrag. Diese Stelle widerlege laut der Wissenschaftlerin die geltende kirchliche Lehre, wonach nur männliche Priester den Mann Jesus Christus in der Eucharistiefeier repräsentieren könnten.
In der Zwischenzeit sei "die Entscheidung des Papstes, die Mitwirkung an der Liturgie vom Geschlecht unabhängig zu machen, ein erster großer Schritt hin zur Gleichberechtigung von Frauen und Männern in der Kirche", ist sich Angelika Ritter-Grepl, Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung Österreich sicher: "Es nährt die Hoffnung darauf, dass auch in Richtung der Weiheämter weitergedacht wird."
Ritter-Grepl ist Absolventin eines Studiums der kritischen Geschlechter- und Sozialforschung an der Universität Innsbruck und bezeichnet sich selbst als "katholische, fromme Feministin". Empfindet dies jemand als Widerspruch, weist die 62-Jährige darauf hin, dass "die wichtigsten feministischen Texte in der Bibel stehen" würden. Die Kirche sei allerdings säumig in der Umsetzung von totaler Geschlechtergerechtigkeit. Wir haben mit ihr über die Rolle der Frau in der Kirche gesprochen.
»Frauen halten das kirchliche Leben vor Ort am Laufen.«
WOMAN: Öffnen die jüngsten Neuerungen in der Kirche die Tür zu mehr Gleichberechtigung?
Ritter-Grepl: "Die Tür wurde wirklich aufgemacht! Die Ernennung von Schwester Nathalie Becquart zur Unterstaatssekretärin der Bischofssynode ist das erste Mal, dass eine Frau gleichberechtigt mit Bischöfen in der Katholischen Kirche stimmberechtigt ist. Die Funktion bringt das Stimmrecht mit sich. Normalerweise werden Priester oder Bischöfe in eine so hohe Funktion berufen. Der Papst steht zu seinem Wort, dass Frauen in hohen Ämtern eingesetzt werden, dort wo es kirchenrechtlich möglich ist. Insofern hat dieser Schritt einen ganz wichtigen Vorbildcharakter. Becquart bringt ausgezeichnete Qualifikationen und vielfältige Erfahrungen in unterschiedlichen Leitungsfunktionen mit. Auch in Österreich sind in diözesanen Zentralstellen Frauen gefragte Führungskräfte, diese Entwicklung wird sich nun sicher verstärken."
Wie würden Sie das Frauenbild der Katholischen Kirche beschreiben? Hat es sich gewandelt?
Ritter-Grepl: "Es gibt in der Katholischen Kirche nicht nur ein Frauenbild. Frauen sind mit ihren vielfältigen Kompetenzen und Begabungen in fast allen Ebenen des kirchlichen Lebens eingebunden. Frauenleben in der Kirche folgen grundsätzlich den Möglichkeiten, wie wir sie in der Gesellschaft auch vorfinden."
Was ist gleich geblieben?
Ritter-Grepl: "Natürlich hat Maria als Role Model immer noch eine starke Position. Dazu muss man jedoch wissen, dass Maria heute nicht nur das Bild einer sich aufopfernden Mutter verkörpert, sondern vielmehr das einer starken, selbstbewussten Frau, die Entscheidungen trifft und sich einmischt."
Aber haben Frauen in der Kirche nicht zu wenig zu sagen?
Ritter-Grepl: "Ohne Frauen gäbe es keine Kirche. Frauen halten das kirchliche Leben vor Ort am Laufen. In den Pfarreien sind die Mitglieder des Pfarrgemeinderats überwiegend Frauen. Die Entwicklung hin zu einer gleichberechtigten Mitgestaltung der Kirche ist im vollen Gang. Was uns von der Gesellschaft unterscheidet, sind die Bereiche, die Priestern vorbehalten sind und darum Frauen grundsätzlich nicht zugänglich sind."
Macht das die Katholische Kirche frauenfeindlich?
Ritter-Grepl: "Auf keinen Fall! Gerade in der Kirche gibt und gab es immer Orte, die besonders für Frauen einen speziellen Raum mit Entwicklungsmöglichkeiten bieten - denken wir nur an die Frauenklöster, die Betätigungsfelder für Frauen eröffneten, die ihnen in historischen Zeiten verwehrt blieben. Sie eröffneten Zugang zu Bildung, Arbeit, einen Schutzraum vor übergriffigen Männern genauso wie Macht und Besitz. Heute bieten ihnen Orte wie Pfarren oder die Katholische Frauenbewegung die Möglichkeit, ehrenamtliche Leitungsfunktionen zu übernehmen. Die eine oder andere Politikerin machte ihre ersten Funktionserfahrungen in der Katholischen Kirche. Allerdings bleibt es eine Herausforderung, die Frage nach dem Priestertum für Frauen produktiv anzugehen."
In welchen anderen Bereichen muss sich die Kirche Ihrer Meinung nach außerdem modernisieren?
Ritter-Grepl: "Einen Modernisierungsschub braucht es wie gesagt hinsichtlich der Ämterentwicklung in der Katholischen Kirche. Das Priestertum muss erneuert werden. Außerdem sollten die Entwicklungen in den Humanwissenschaften verstärkt Eingang in die katholische Lehre finden. Das betrifft alles im Bereich der Geschlechterforschung, außerdem schreit die Lebenspraxis von homosexuellen Menschen nach einer besseren Verankerung im Leben der Kirche als jetzt. Grundsätzlich geht es um die Anerkennung von gesellschaftlich akzeptierten, vielfältigen Lebensweisen, die Beziehungen zwischen Menschen festigen, weil sie Verantwortung füreinander übernehmen. In der Zukunft soll es keine Rolle mehr spielen, ob ich mich als Frau oder Mann in die Kirche einbringen möchte. Gleiche Rechte für Frauen und Männer sollen selbstverständlich sein."
Wie optimistisch sehen Sie dem entgegen?
Ritter-Grepl: "Es ist eine Frage der Zeit und diese Geduld bringe ich auf. Ich engagiere mich dafür mit vielen anderen weitsichtigen Frauen und Männern!"
Die Diskussion um eine Zulassung von Frauen zur Priesterweihe erhielt in der Katholischen Kirche unter anderem durch die von Papst Franziskus einberufene Amazonien-Synode sowie den von den deutschen Bischöfen angestoßenen Synodalen Weg zur Zukunft kirchlichen Lebens neuen Auftrieb. Allerdings erklärte Papst Johannes Paul II. (1978-2005) im Jahr 1994 verbindlich, dass die Kirche keine Vollmacht habe, Frauen zu weihen.
Interview von Anna Weismann, erschienen im newsletter von WOMAN am 08.02.2021