"win win" oder: Die Brückenbauerin. Bundesjugendpreis 2020 für kfb-Referentin Sara Gerner
Die Autorin und kfb-Referentin Sara Gerner erhält den Bundesjugendpreis 2020 für ein Auftragswerk der Katholischen Frauenbewegung Salzburg
Sechs junge Frauen und ein Abendessen – das es in sich hat: denn eine der befreundeten Chorsängerinnen ist gerade von ihrem Freund verlassen worden, und es scheint auch klar zu sein, warum: Dido hat sich zu sehr „gehen lassen“. Das Essen an diesem Abend bleibt fast unberührt. Denn: es macht dick. Und Dicke werden verlassen. Oder? Eine heftige Debatte entspinnt sich, die Situation eskaliert, langjährige Freundschaften drohen an einem Stück Butter zu zerbrechen.
Das ist der Plot des Theaterstückes, mit dem die 24-jährige Salzburgerin Sara Gerner gerade den Bundesjugendpreis 2020 in der Kategorie „Eure Projekte“ gewonnen hat. „Vorsicht, ich bin ansteckend schön“ befasst sich mit einem Thema, dem junge Frauen heute nur schwer auskommen: der eigenen „Schönheit“, dem Kampf mit gesellschaftlichen Normen und allgemeinen Vorstellungen davon, wie frau zu sein hat.
Sara hat sich mit ihrem Theaterstück gegen eine Vielzahl von Projekten unterschiedlichsten Inhalts und unterschiedlichsten Formats durchgesetzt. „Ich bin seit meinem zehnten Lebensjahr Mitglied in der Seekirchner Laientheatergruppe“, erzählt sie. Und nachdem die Regisseurin der Gruppe vor zwei Jahren auf der Suche nach einem Stück mit ausreichend Frauenrollen wieder einmal gescheitert war, hat Sara die Initiative ergriffen: „Ich hab mich entschieden, selbst ein Stück zu schreiben, und zwar eines, in dem es NUR Frauenrollen gibt“.
Sara schreibt, solange sie zurückdenken kann: „Ich hab schon geschrieben, als ich es noch nicht konnte: ich hab meiner Mama einfach angesagt, was ich sagen will, und sie hat es für mich aufgeschrieben“. Als Schülerin hat sie schon einmal ein Stück verfasst, als Studentin einen Preis im Rahmen eines Jugendwettbewerbs des Salzburger Literaturhauses gewonnen. Heute schreibt sie hauptsächlich Prosa, am liebsten Kurzgeschichten. Das Schreiben hat sie während ihrer gesamten Schulzeit und ihres Studiums der Germanistik und Geschichte begleitet, unter anderem hat sie Schreibwerkstätten der Salzburger Volkshochschule besucht.
Dort war Olivia Keglevic, Schriftstellerin, Schreibwerkstätten-Leiterin und seit 2012 bei der Katholischen Frauenbewegung der Diözese Salzburg schon vor längerem auf Sara aufmerksam geworden. Bereits 2016 hatte Olivia Keglevic die damalige Schülerin eingeladen, in der Redaktion der Zeitschrift der kfb „frauen.kom“ mitzuarbeiten, um Themen und Perspektiven junger Frauen gezielt einzubringen. Olivia Keglevic: „Sara ist eine außergewöhnliche, fähige Autorin, die der Welt mit offenen Augen und ohne Tabus begegnet“.
Jetzt wollte Olivia Keglevic, mittlerweile kfb-Leiterin, noch einen Schritt weitergehen: „Wir haben eine junge Schriftstellerin gesucht, die im Auftrag der kfb ein Theaterstück schreibt, das bei der Dirndlgwand-Glocknerwallfahrt der kfb 2019 aufgeführt werden sollte“. Ein Literaturwettbewerb hatte sich als ungeeignet erwiesen, eine eigens angefragte junge Autorin aus dem Salzburger Literaturhaus war über Anfänge nicht hinausgelangt. Sara kam mit ihrer Entscheidung, ein reines Frauenstück zu schreiben, zur rechten Zeit. Sie erhielt den Auftrag der kfb Salzburg. „Ein sehr glücklicher Zufall“, so die Autorin.
Olivia Keglevic: „Sara war sich sofort klar, dass sie ein Stück zum Thema ‚Schönheitswahn und Schönheitsstress‘ machen wollte. Es ist ein wunderbar witziges, selbstironisches, leichtfüßiges Theaterstück geworden, das dieses schwere Thema leicht erträglich in den Zuschauerraum transportiert“.
Eine Strategie war aufgegangen: „Hinter diesem Auftrag stand der Wunsch, nicht darauf zu warten, dass sich junge Frauen für die Arbeit der kfb interessieren, sondern sich aktiv als kfb für die Themenwelt und das Leben von jungen Frauen zu interessieren“. Denn, so die Salzburger kfb-Leiterin: „Jung zu sein im Jahr 2020 bedeutet etwas gänzlich anderes als jung zu sein im Jahr 1970.“ So sei das Thema für das geplante Theaterstück auch nicht definiert, sondern nur der Hinweis gegeben worden, dass es die Lebenswelt von jungen Frauen und Schülerinnen aufgreifen und lebendig werden lassen soll. Eine Vorgangsweise, mit der die kfb Salzburg nicht zuletzt dem Aufruf von Papst Franziskus nachzukommen versuchte, nah an den Menschen zu sein, die Sorgen und Nöte der Menschen auch die Sorgen und Nöte der Kirche sein zu lassen.
Die Aufführung bei der Glocknerwallfahrt, bei der Sara selbst Regie geführt hat, hat die Erwartungen mehr als erfüllt: „Es war die erste kfb-Veranstaltung, die ich erlebt hab“, erzählt Sara, „und ich war begeistert: sechs junge Mädels auf der Bühne, eher ältere Frauen im Publikum, und so ein spannender Austausch“. Auch die „älteren Frauen“ hätten von Problemen mit gesellschaftlichen Normen zu berichten gehabt. Wechselseitige Neugier, Offenheit und Authentizität hätten eine „Generationenbrücke“ entstehen lassen. „Die Schauspielerinnen kamen alle aus meinem Bekanntenkreis, keine von ihnen hatte zuvor eine Berührung mit der Katholischen Frauenbewegung gehabt“, so Sara.
Auch ihr selbst habe eine Vorstellung von dem, was Katholische Frauenbewegung ist, gefehlt, ehe Olivia Keglevic sie für die redaktionelle Mitarbeit in der kfb-Zeitschrift „frauen.kom“ angefragt hatte. „Meine Tante wusste, was die kfb ist, ich hatte gar keinen Kontakt“. Ihre Freundinnen und Freunde finden es „voll gut“, was Sara aus der kfb zu berichten hat: „Wenn ich ihnen vom Fastensuppenessen erzähl oder vom sozialen Engagement der Katholischen Frauenbewegung – das macht sie neugierig.“
Nicht erst das Theaterstück, das nach der Glockner-Wallfahrt noch weitere fünf Male an unterschiedlichen Orten in Salzburg vor Schüler*innen und kfb-Gruppen aufgeführt wurde, auch schon die redaktionelle Arbeit bei „frauen.kom“ hat Sara „interessantes feedback“ gebracht. Sara hat sich mittlerweile der Rolle als „Mittlerin“ ganz bewusst verschrieben. Als nach der Glockner-Wallfahrt eine Stelle als Regionalreferentin bei der kfb Salzburg ausgeschrieben wurde, hat sie sich beworben. „Das Erlebnis auf der Wallfahrt war ein idealer Einstieg“, so Sara. Seit Jänner 2020 arbeitet sie nun hauptamtlich für die kfb. Und bringt die Themen mit und ein, die junge Frauen etwa auf social media, auf twitter oder auf instagram umtreiben: „Da geht es eben um die Schönheit, um die Frage des Mutterschaft, um Menstruation, um Abtreibung, um gleiche Bezahlung von Männer und Frauen.“
Wie sich wehren gegen direkten oder auch indirekten Druck, Kinder zu bekommen? Was tun, wenn Menstruation weiter tabuisiert und zu etwas „Ekelhaftem“ erklärt wird? Sara nähert sich Fragen und Themen aus feministischer Perspektive, wie sie es auch bei ihrem Theaterstück gemacht hat: „Patriarchat und Kapitalismus befeuern uns, uns mit unserem Körper zu befassen, damit wir nicht dazu kommen, uns den wirklichen Kernthemen zu widmen, z.B. einer geschlechtergerechten Entlohnung.“ So hat auch die Abteilung für Frauenfragen und Geschlechtergerechtigkeit der Landesregierung Salzburg das Stück von Sara „sofort subventioniert und in ihrem Mädchenprogramm beworben“, wie Olivia Keglevic berichtet: „Die zuständige Landesrätin, Andrea Klambauer, war bei der Eröffnungsveranstaltung im Jugendbegegnungszentrum Yoco anwesend“.
Als „Brücke“ zwischen den Generationen hat Sara bereits eine Spur gezogen. Seit kurzem ergänzt und bereichert das Team der kfb Salzburg eine weitere junge Frau, die 23-jährige Philosophiestudentin und Bäuerin Magdalena Barth. Sie ist kooptiertes Mitglied im Vorstand und arbeitet ehrenamtlich für die Aktion Familienfasttag.
„Der Bundesjugendpreis 2020 für Saras Theaterprojekt ist für die kfb Salzburg eine schöne Bestätigung, dass wir auf einem guten Weg sind“, freut sich Olivia Keglevic: „Wir nehmen die jungen Frauen mit ihren Fragen und Themen ernst, wir versuchen, ihre Lebenswelten zu verstehen oder wenigstens wahrzunehmen. Der daraus entstehende Generationendialog bereichert uns und unsere Arbeit. Wir sind gespannt und neugierig, wohin uns diese Entwicklung führt“.
Einen nächsten Schritt hat die kfb Salzburg bereits getan: sie hat einen weiteren Auftrag zu einem Theaterstück vergeben, das 2021 aufgeführt werden soll. Und es ist auch schon fertig - Olivia Keglevic: „Evelin Ferner, die auch für frauen.kom schreibt, hat sich mit dem Themenbereich Nachhaltigkeit, Generationenkonflikt und fridays for future beschäftigt und nimmt die Zuschauer*innen mit auf eine vergnügliche, humorvolle Reise durch die seelischen Abgründe einer Pubertierenden, die versucht die Welt zu retten und die eigene Familie zu mehr Nachhaltigkeit zu bewegen“. (eo)
Kontakt zur Autorin:
Sara Gerner, BEd
Regionalreferentin
0662/8047-7531
0676/8746-7531
sara.gerner@ka.kirchen.net